Beispiele

Maya, 7 Jahre 
Extrem unruhig

Die 7-jährige Maya fällt durch eine extreme Unruhe auf. Sie besucht die erste Klasse. Dort gibt es fast jeden Tag Konflikte. Maya kann nur schwer auf ihrem Platz sitzen bleiben, springt ständig auf, macht Radschläge im Klassenraum und wirkt wie unter Strom. Es fällt ihr sehr schwer, sich auf Aufgaben zu konzentrieren und einzulassen.

Maya ist das 2. von 4 Kindern. Die Mutter ist zum zweiten Mal verheiratet und ist zunehmend genervt von Mayas Verhalten, da sie auch zuhause eine große Unruhe verbreitet. Im ersten Gespräch fällt der Mutter kaum etwas ein, was sie an Maya mag, da die Belastung so groß ist.

 

Einmal pro Woche kommen Maya und ihre Mutter gemeinsam zur heilpädagogischen Begleitung. Die ersten Stunden sind von sehr bewegungsfreudigem Spiel gekennzeichnet und Maya ist hocherfreut, dass ihre Mutter dies mitspielt. Gemeinsam schaukeln sie hoch, Maya versteckt sich im Bällebad und lässt sich von ihrer Mutter suchen. Maya genießt die gemeinsame Zeit mit der Mutter und schnell wird deutlich, dass Maya ein großes Bedürfnis hat, von der Mutter gesehen und gehört zu werden. Dies kann in den begleitenden Gesprächen mit der Mutter besprochen werden. Auch sie selbst kann das während der Stunden erkennen.

 

Zunehmend wird ein Spiel mit Seilen, die mit Hilfe von Karabinerhaken verbunden werden und quer durch den Raum gespannt werden, Inhalt einiger Stunden. Dabei geht es in diesem Fall um den Ausdruck, Verbindung zu schaffen.

Auf der Verhaltensebene ist bei Maya zu erkennen, dass sie sich zunehmend auch ein ruhigeres Spiel sucht und länger darin verweilen kann. Gleichzeitig sucht sie in dieser Zeit viel Körperkontakt zu ihrer Mutter. Auch die Mutter genießt diese alleinigen Kontakte zunehmend mehr und kann dies benennen. Für zuhause wird eine sogenannte „Mama-Maya-Zeit“ eingeführt, wo an drei Tagen in der Woche die Mama eine Viertelstunde nur ganz allein eine bewusste (Spiel-)Zeit mit Maya verbringt. Auch das Verhalten in der Schule verändert sich zu dieser Zeit positiv und Maya wirkt viel weniger unter Strom stehend.

 

Gegen Ende der Begleitung benennt Maya in der Reflexion „mir geht es gut, und ich weiß jetzt, dass Mama mich liebhat“.

Anton, 6 Jahre 
Mag nur zuhause sprechen

Der sechsjährige Anton hat bei seiner Geburt zeitweise zu wenig Sauerstoff bekommen und zeigt sich nun in seinem Entwicklungstempo etwas langsamer als andere Kinder. Aber seine Eltern sind sehr zuversichtlich, da er im letzten Jahr einen großen Entwicklungsfortschritt gemacht hat. Was ihnen jedoch Sorgen bereitet ist, dass Anton zuhause spricht, sobald er aber das Haus verlässt, stumm bleibt. Wenn andere ihn ansprechen, gerät er unter große Anspannung, die auch körpersprachlich deutlich sichtbar ist, es gelingt ihm aber nicht, etwas zu sagen. Häufig erstarrt er dann oder läuft weg, wenn es ihm möglich ist.

 

Anton kommt gerne zur heilpädagogischen Einzelbegleitung. Er bewegt sich gerne und nutzt hier vielfältige Kletter- und Schaukelmöglichkeiten. Auch spielen er und die Heilpädagogin gerne und häufig mit Bällen. Anton verhält sich hier sehr dynamisch und aktiv. Er wird in den Stunden nicht aktiv aufgefordert, etwas sagen zu müssen. Die Heilpädagogin redet mit ihm, erwartet aber keine Antworten und stellt keine Fragen. Sie achtet sehr auf seine Körpersprache und versucht ihn darüber zu verstehen und benennt das, was sie sieht. Somit baut Anton eine zunehmend vertrauensvolle Beziehung zur Heilpädagogin auf.

 

In den parallel stattfindenden Elterngesprächen berichten die Eltern, dass Anton sich immer viel mit anderen verglichen habe und wenn er gemerkt habe, etwas nicht so gut zu können, sich schnell zurückzog. Nach einem Wechsel einer Erzieherin im Kindergarten und einer für ihn neuen Erzieherin, die keinen guten Kontakt zu ihm aufbauen konnte, sei er dann „verstummt“.

 

Somit war es für die heilpädagogische Begleitung eine wichtige Voraussetzung, zu Anton eine vertrauensvolle und absichernde Beziehung aufzubauen. Daneben sollte Anton durch viele Selbstwirksamkeitserfahrungen in seinem Selbstbewusstsein gestärkt werden.

 

In einer Stunde schauen die Heilpädagogin und Anton gemeinsam aus dem Fenster und sehen, dass es anfängt zu schneien. Anton springt auf und ab und ruft ganz laut: „da, Schnee!“ Dann fängt er an, zu erzählen, als wenn es nie anders gewesen wäre zwischen der Heilpädagogin und Anton. Die Heilpädagogin unterhält sich mit ihm, ohne dies als etwas Besonderes hervorzuheben. Seit diesem Zeitpunkt spricht Anton in den Stunden. Weiterhin bleibt es Thema in den Stunden, wie er mehr Zutrauen in sich selbst entwickelt.

 

Im Verlauf fängt er dann auch an – erst zögerlich – im Kindergarten und dann auch in unbekannteren Situationen zu sprechen.

 

Fynn, 5 Jahre
Mag sich nicht von Mama trennen

Der fünfjährige Fynn kommt unerwartet nach einer komplikationslosen Schwangerschaft zwei Wochen vor dem errechneten Termin als Sturzgeburt zur Welt. Die Mutter wird völlig überrumpelt von dieser Situation, schafft es nicht mehr ins Krankenhaus zu fahren, so dass sie ihn alleine zuhause entbindet. Aufgrund von leichten Anpassungsschwierigkeiten kommt Fynn noch vorsorglich für zwei Tage auf die Neugeborenenstation.

 

Fynn ist ein sehr ängstliches Kind, mag sich kaum von der Mutter trennen und geht nicht gerne in den Kindergarten. 

Jeden Morgen fragt er die Mutter, ob er nicht bei ihr bleiben kann. Auch wenn die Mutter mal einen Termin hat und Fynn bei seinem Vater und Bruder zu Hause bleibt, ist Fynn angespannt und fragt ständig, wann denn die Mama wiederkommt. Fynn mag nicht schaukeln und zeigt im Alltag große Angst vor Höhe.

 

Er kommt einmal wöchentlich für eine Stunde zur heilpädagogischen Begleitung im Einzelkontakt. Die ersten Stunden werden von der Mutter begleitet, bis Fynn genug Vertrauen zur Heilpädagogin gefasst hat, um alleine in den Stunden zu bleiben. Fynn weiß, dass die Mutter zur Absicherung im Wartebereich sitzt.

 

Fynn klettert in den Stunden immer hoch hinauf (auf Kästen, Matten, auf ein Podest), zeigt dabei aber gleichzeitig eine extrem hohe Anspannung, indem er sich festkrallt (meist auf dem Bauch liegend, was man auch als Schutzhaltung bezeichnen könnte) und wirkt sehr ängstlich dabei. Dies benennt er zum Teil auch oder jammert. Somit thematisiert er hier seine Angst vor der Höhe, drückt dabei aber auch gleichzeitig aus, sich hiermit auseinander setzen zu wollen. Die Heilpädagogin benennt ihm gegenüber die wahrgenommene Anspannung in der Höhe und lässt ihn gleichzeitig über ihren Körper viel Halt und Absicherung spüren. Auch drumherum sichert sie viel ab. Es wird immer deutlicher, dass die Angst vor der Höhe eigentlich eine Angst vor dem Fallen ist. Er sucht im Verlauf dann immer häufiger ein Schaukeltuch auf, aus dem er sich dann langsam in die Arme der Heilpädagogin gleiten lässt, die ihn hier sicher und langsam auffängt und hält. Dies wiederholt er immer wieder. Letztlich kann man sagen, er wiederholt hier seine Geburtserfahrung mit einem für ihn wahrgenommenen plötzlichen und viel zu schnellen Herausfallens mit einer korrigierenden (Körper-) Erfahrung.

In den nächsten Stunden begleitet die Mutter Fynn und wir schaffen Situationen und Räume, in denen Fynn im Zeitlupentempo von seiner Mutter aufgefangen und gehalten wird oder wie die beiden eng aneinander gekuschelt sind und sich dann ganz langsam und immer im Kontakt bleibend (durch leichte Berührungen, durch Worte, Blicke, durch ein Seil…) vorsichtig voneinander trennen.

 

Danach ist Fynns Angst vor der Höhe und vorm Schaukeln verschwunden.

 

Auch die Trennungsangst von seiner Mutter verringert sich deutlich. Dies wird durch praktische Hilfen im Alltag, die in den parallel stattfindenden Elterngesprächen entwickelt werden, unterstützt.

Sophia, 5 Jahre
Ein Pflegekind

Die fünfjährige Sophia musste schon früh die Erfahrung machen, dass ihre Eltern sich nicht gut um sich kümmern 

konnten. Tagelang war sie alleine in ihrem Zimmer, notdürftig und unregelmäßig bekam sie Essen. Ihre Eltern waren aufgrund ihrer Drogenabhängigkeit nicht in der Lage, sie zu versorgen. Auch gab es viel Streit und körperliche Auseinandersetzungen zwischen den Eltern, die Sophia miterleben musste.

 

Mit eineinhalb Jahren kommt Sophia in eine Bereitschaftspflegefamilie; mit knapp vier Jahren dann in ihre jetzige Pflegefamilie.

 

Die heilpädagogische Begleitung beginnt ca. ein halbes Jahr später einmal wöchentlich gemeinsam mit Sophia und dem Pflegevater. Sophia zeigt zu diesem Zeitpunkt ein stark distanzgemindertes Verhalten und wirkt im Alltag zwischenzeitlich wie weggetreten und ist in diesem Zustand kaum ansprechbar und wirkt verwirrt.

In den ersten Stunden zeigt sich ein sehr sprunghaftes Verhalten bei Sophia, ständig wechselt sie das Spielzeug, möchte alles kurz ausprobieren, ist dann aber schon wieder mit der nächsten Sache beschäftigt. Mal sucht sie ganz viel Kontakt zu ihrem Pflegevater und auch zur Heilpädagogin, dann wieder entfernt sie sich und ist kaum ansprechbar von außen.

 

Ab der fünften Stunde entwickelt sie ein Spiel, in dem sie in die Rolle eines Tiger-Babys schlüpft. Die Heilpädagogin 

bekommt die Rolle der Tiger-Mama zugewiesen, der Pflegevater die Rolle eines Löwens, der anfangs eher als Feind und bedrohlich angesehen wird. So geht es in den ersten Stunden darum, dass die Tiger-Mama das Baby beschützt und 

gegen die Löwen verteidigt. Dann wird der Löwe gefangen genommen. Er wird zu einem lieben Löwen und möchte bei der Tiger-Mama mit dem Baby wohnen. Hier wird von Sophia zum einem die Angst vor dem aggressiven leiblichen 

Vater thematisiert, zum anderen ihr großes Bedürfnis (und der Wunsch, wie es hätte sein sollen) nach Schutz und 

Sicherheit. In diesen Rollen kann sie im Verlauf dann auch ihr Bedürfnis nach Zuwendung und Versorgung zeigen. Das Spiel und die Versorgung findet überwiegend in einem Schaukeltuch statt, so dass dies auch symbolisch in einer 

sicheren Schutzhülle/in einem Kokon stattfindet. Darin zeigen sich die ganz frühen Bedürfnisse des kleinen Babys 

Sophia, die in ihrer Lebensgeschichte nicht gestillt werden konnten. In diesem Rollenspiel kann sie nun auch über den Körper erleben und nachempfinden, wie es sich anfühlt, wenn sich eine Mama und ein Papa liebevoll um ein Baby 

kümmern. Sie verfällt in diesem Spiel auch in ein Babylautieren und liegt häufig wie ein Embryo im Bauch der Mutter 

im Schaukeltuch.

 

Dieses Spiel wiederholt sich mehrere Stunden lang, bis eine „Sättigung“ bei ihr eintritt. Danach geht das Spiel weiter, in dem das kleine Tiger-Baby etwas größer wird und durch den Raum krabbelt und dabei die Welt entdecken möchte.

Für Sophia und ihren Pflegevater sind dies ganz intensive Stunden. Es ist sehr stärkend für ihre Beziehung und Sophia scheint immer mehr bei ihren Pflegeeltern anzukommen. Ihr sehr sprunghaftes Verhalten tritt weniger häufig auf und ihr gelingt es zunehmend mehr, sich über einen längeren Zeitraum auf eine Sache zu konzentrieren. Auch im Alltag ist sie sehr damit beschäftigt, die Welt zu entdecken. Zudem treten die Phasen des plötzlichen „Weggetretenseins“ immer 

weniger auf.

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